Audio:
Beim Betrachten dieses Steines fällt auf, dass er schmaler als die
anderen Grenzsteine ist. In der Tat handelt es sich um einen gespaltenen Stein,
von dem nur noch 2/3 am angestammten Platz übrig sind. Man erkennt vorne das
„HD“ sowie 178 und O25 auf den Seiten. Die abgebrochenen Teile konnten in einem
Sprendlinger Privatgarten ausgemacht werden. Eine Rückgabe des widerrechtlich
entfernten Teils dieses Bodendenkmals konnte bisher noch nicht erreicht werden.
Eine unbefriedigende Situation.
Die Grenzsteine am Isenburger Weg werfen die Frage nach historischen
und modernen Vermessungsmethoden auf. Auskunft gibt zunächst das sogenannte Besteinungsprotokoll,
das für diese Grenze erhalten geblieben ist. In ihm sind die Abstände zwischen
den Steinen in der Maßeinheit der Langener Ruthen (entsprechend 4,59 Meter) vermessen.
Der Grenzwinkel ist in Grad und Minuten angegeben. Für die Vermessung im Jahr 1783
fehlte allerdings der überörtliche Bezugsrahmen in festen, absoluten
Vermessungspunkten. Ohne ihn ist eine exakte Kartografie und damit die Festlegung
von Grenzverläufen nicht möglich. Erst mit der Landesvermessung Anfang des 19. Jahrhunderts
konnten solche trigonometrischen Punkte mit Hilfe überörtlicher
Dreiecksberechnungen festgelegt werden.
1808 wurde im südhessischen Raum die Entfernung zwischen dem Turm
der Stadtkirche in Darmstadt und dem Kirchturm in Griesheim mit geeichten
Stangen genau ausgemessen. Auf dieser Grundlage konnten die Geometer ein Dreieck
zwischen diesen beiden Türmen und dem Berg Melibokus im Odenwald bestimmen und
anschließend ein größeres Basisdreieck zwischen Melibokus, dem Großen Feldberg
im Taunus und dem Donnersberg im Nordpfälzer Bergland definieren. Das erfasste Land
konnte dann in kleinere Dreiecke unterschiedlicher Größe eingeteilt werden. Deren
Eckpunkte markierten Sie mit trigonometrischen Steinen. Mit diesem Netz an
Vermessungspunkten waren die Voraussetzungen des modernen Katasterwesens geschaffen.
Hundert Jahre später erfolgte im hessischen Ried eine weitere Basismessung mit
einer weit höheren Genauigkeit durchgeführt.
Heute sind die Grenzen von Grundstücken, Gemarkungen und Gemeinden
digital erfasst. und die Grenzpunkte durch genaue Koordinatenwerte
nachgewiesen. Die Vermessungstechnik hat mit den satellitengestützten GPS-Geräten
und anderen Verfahren große Fortschritte gemacht. Seit 2008 gibt es in Hessen
keine Abmarkungspflicht mehr. Grenzsteine sind damit funktionell für die
Vermessung überflüssig geworden. Sie sind aber ein historisches Kulturgut. Wer
sie zerstört oder entfernt kann nach dem Hessischen Denkmalschutzgesetz mit hohen
Bußgeldern bestraft werden.
In Hessen dokumentieren ehrenamtliche Obleute die historischen
Grenzsteine. Die Daten werden in einer vom Landesamt für Denkmalpflege
geführten Datenbank gespeichert. Im Geographischen Informationssystem des
Kreises Offenbach sind diese Informationen abrufbar.
Text: Wilhelm Ott, Sprecherin: Kim Bagus, Intro: Ulrich Fogel
Literatur: H. Dornieden, B. Heckmann, Historische Grenzsteine in Hessen, in: Denkmal Hessen, 2021